„Guck, bis ganz da oben kannst du kraxeln“, sagt eine meiner hüttenerprobten Fotofreunde als wir die Autobahnabfahrt nach Völklingen nehmen und von weitem seine berühmte „Skyline“ erblicken, die heute unser Ausflugsziel sein wird. Wir fahren auf Fotoexkursion zur Völklinger Hütte, das weltweit einzige in dieser Art erhaltene Eisenwerk der Industrialisierung, das sich sogar einen Platz auf der Liste der Weltkulturerbe gesichert hat. Für mich ist es der erste Besuch und wo gekraxelt werden kann, vermag ich vom Auto aus nicht zu erkennen, auf den ersten Blick ist an der „Hütte“ nämlich salopp gesagt ganz schön viel los. Vielmehr habe ich Szenen aus Science-Fiction, Postapokalypse und Steampunk vor meinem geistigen Auge. Die Popkultur hat bei mir ganze Arbeit geleistet, spannende Filmkulissen und Geschichten von „Gut-gegen-Böse“ sind mir weniger fremd als der über 100 Jahre andauernde Arbeitsalltag, der sich hier auf dem Gelände dieses „Film-Sets“ tagein, tagaus abgespielt hat.
Was der Vorstellung zumindest auf die Sprünge hilft, sind die Temperaturen an diesem sonnigen 18. Juni, bei 32 Grad sitzt die Fotoausrüstung besonders gut, denn genau genommen klebt sie.
Auf der Jagd nach interessanten Motiven ziehen wir los. Einige streifen durch die schattigen Werkshallen auf der Suche nach vergessenen Details wie rostige und staubige Oberflächen, Beschilderungen mit Arbeitsanweisungen, die in Gegenwart der überdimensionalen Maschinen daran erinnern, dass es vor allem ja auch der Mensch war, der hier zu schuften hatte.
Einige versuchen die gigantische Architektur der Hallen und ihre Anlagen, wie die riesigen Gasmaschinen der Gebläsehalle einzufangen. Andere zieht es ins sogenannte „Paradies“, hier hat sich die Natur das Gelände zurückerobert, in den Ruinen der ehemaligen Kokerei wuchern Pflanzen, aber auch eine Menge Kunst hat sich hier verewigt. Sie ist überall im kleinen, verborgenem wie im Großen zu finden, wie z.B. die 10 m hohe King Kong Skulptur (wieder das Film-Set!).
All diese Entdeckungen sind es für mich, die die Vorstellung so surreal machen, wie hier einst gearbeitet wurde, denn der friedliche Kontrast der Gegenwart kann das einstige Malochen und die Luftverschmutzung gut übertünchen. Man hat das Gefühl, dass die Kulturbetreiber der Völklinger Hütte einiges richtig machen, denn die Hütte an sich als Hauptattraktion hat eine starke Konkurrenz an mindestens genauso spannenden Spektakeln. So fand zum Zeitpunkt unseres Besuchs die Ausstellung EUPHORIA des Videokünstlers Julian Rosefeldt in der Gebläsehalle statt und sorgte in der Umgebung des Industriedenkmals als zeitgenössische Kunst für eine ganz eigene und besondere Atmosphäre.
Toll ist auch, wie nah der Besucher der Hütte kommen darf, hier und da entdeckt man versteckte Räume und Nischen, in denen gerade buchstäblich der Hammer nach Schichtende fallen gelassen wurde, die Betreiber sind nicht zimperlich mit ihrem Kulturerbe.
Der Kraxel-Tipp entpuppt sich (trotz etwas Höhenangst) übrigens als eins meiner persönlichen Highlights - tatsächlich gelangt man ganz nach oben in 45m Höhe auf die Hochöfen. Hier hatten wir -behelmt- einen wahnsinnig tollen Ausblick auf die umliegende Landschaft und trotz harter Mittagssonne ein spannendes Lichtund Schattenspiel aus dem Wirrwarr von Rohren und Stahlkonstruktion. Und selbst in dieser Höhe findet die Natur erstaunlicherweise ein Plätzchen zwischen all dem Stahl, um hier und da einen Trieb zu setzen.
Sonne, Kunst und Patina, Schweißausbruch am Film-Set. Es gibt so viel zu entdecken und bestaunen auf der Völklinger Hütte! Es ist echt ganz toll gewesen, wir kommen gerne wieder!
Noch mehr Fotos gibts hier zu sehen.
alle Fotos: Lisa Hoppe
1 "Kitty"
2 "Boys"
3 "Hochöfen"
