2001 November: Naturschutzgebiet Großer Goldgrund

Fotografen, ob weiblich oder männlich, sind ein eigenes Völkchen. Einige besuchen Industriedenkmäler, andere lieben Modells und wieder andere besteigen hohe Dome und manche machen bei allem mit, frei nach dem Wahlspruch: dabei sein ist alles!

Der „Fotoclub Mainz" – sprich Reinhold Schmelz - hatte zu einem Ausflug ins Naturschutzgebiet „Großer Goldgrund" im hessischen Ried geladen. Abfahrt um 8.00 Uhr ab Weinstand in Kostheim. Na, da heißt es um 6.30 Uhr schon aufstehen. Und das am heiligen Sonntag ! Das ist schwer, wenn man sonst auch früh aufsteht und sich eigentlich auf das Wochenende freut, weil man unter anderem auch mal ausschlafen kann. Jaaa, aber was tut man nicht alles für sein Hobby ? Eben ! Man und Frau rafft sich auf und ist dabei. Manche haben es in diesem Sinne auch leicht, denn sie haben mit dem Aufstehen keine Probleme und sind um Sechs Uhr morgens hellwach. Um 8.00 Uhr am Weinstand, da waren wirklich alle hellwach ! Aber bis ich soweit war, da hatte ich schon einige Schwierigkeiten auszuräumen, denn in Kostheim kenne ich so gut wie nichts. Höchstens in welcher Himmelsrichtung Mainz liegt. Nun, dachte ich, du hast ja noch einen alten Mainzer, Philipp Münch, der kennt sich aus ! Tja – das war ein Trugschluss. Auch Philipp hat gerätselt. Ich machte mir Vorwürfe, weil ich Reinhold nicht gefragt hatte, was und wo der Weinstand ist. Denn gerade diese Gegend kenne ich vom großen Drei-Brücken-Spaziergang. Es wäre eine viertel Stunde schneller gegangen. Trotzdem - wir sind angekommen.

Nachdem auch unser „Führer", Reinhold Schmelz, eingetroffen war, ging es nach kurzer Lagebesprechung und Aufteilung der Mitfahrmöglichkeiten auf in das El Dorado für Nebel-Fotografen. Denn: O-Ton Schmelz: „An der Ludwigsaue ist Nebel garantiert". Noch in Kostheim haben wir den Nebel gesehen. Rechts frei und blauer Himmel – links alles grau ! Das kann ja heiter werden, dachte ich, wenn wir auch auf unserem Weg nur durch Nebel kutschen, dann „gute Nacht" ! Ich freue mich nämlich immer auf Fahrten, die zu Expeditionen ausarten. So gern wie ich Auto fahre - Expeditionen hasse ich. Doch meine Befürchtungen haben sich überhaupt nicht bewahrheitet. Auf unserem Weg fuhren wir der Sonne entgegen und ich musste oft die Sonnenblende an der Windschutzscheibe herunter klappen. Nach einigen Kilometern, wie angekündigt, nach ungefähr 20 Minuten, hatten wir unseren Start- und Zielpunkt erreicht.

Mitten auf den Äckern verließen wir unsere Autos und marschierten los. Richtung Rheindamm war angesagt. Alle Teilnehmenden waren nicht nur mit Fotoutensilien gut ausgerüstet, sondern auch mit guter, warmer Kleidung. Diese ist für eine solche Tour auch unerlässlich. Die Temperatur war wenig unter Null, der Nachtfrost hatte die wenigen kleinen Pfützen mit einer dünnen Eishaut überzogen und der Tag hatte sie noch nicht wieder aufgetaut. Im Übrigen hatten wir klare und gute Fernsicht. Ja, in der Ferne konnte man Nebelbänke ausmachen - . Es war recht erholsam für Lungen und Kopf. Beides wurde so richtig durchgelüftet. Ich freute mich, daß ich nur den Fotoapparat und das Stativ zu tragen hatte. Es sind zwar keine Leichtgewichte, aber doch tragbar. Es sollte bei der Planung des Fotoausflugs bedacht werden, dass man nicht zu viel mitschleppt, und am Ort des Geschehens erst eine halbe Stunde braucht um wieder zu Kraft zu kommen. Ich hatte eher zu wenig mitgenommen, denn Nahlinsen wären gut zu gebrauchen gewesen. Aber: keine Bange, man kommt auch mit weniger aus. – Wahlspruch: weniger ist mehr. – Nach einigen Metern hinter dem Damm haben sich die Wasserratten von den Landratten getrennt. Reinhold erklärte uns, dass rechts Wasser und links Bäume zu fotografieren seien. Philipp und ich entschieden uns für das Wasser. Ich bin sowieso eine Wasserratte.

Ja, nun waren wir da, an der Ludwigsaue, aber der Nebel hatte sich versteckt. Oder er war gar nicht dagewesen. Was aber zu sehen war, das fiel mir schon in Kostheim am Main auf: das Wasser dampfte. Es zogen knapp über der Wasseroberfläche Dampfschwaden umher. Mit Phantasie konnte man die Nymphen flattern sehen. Von zwei Anglern abgesehen waren wir die einzigen Menschen. Da wir uns allerdings laut und gar nicht weidmännisch verhielten, hatten wir mit Sicherheit alle Viehcher im großen Umkreis vertrieben. – Es müssen welche da gewesen sein, denn auf dem Rückweg entdeckten wir ein paar flüchtende Rehe..Nun, die Angler waren uns nicht gram und haben uns nicht verjagt, denn die Fische sind im Wasser geblieben.

Es war wieder mal eine Lust, sich im Fotografieren richtig auszutoben. Herz was begehrst du ? Die Nacht hatte uns Rauhreif auf Gräsern und Blättern beschert, das Wasser brachte uns Nymphen-Hemdchen dar und der Himmel war zeitweise, ja: himmelblau. Also, mehr braucht man doch zum fotografieren wirklich nicht. Einfach phantastisch ! Die Kolleginnen und Kollegen, die sich für Bäume entschieden hatten, habe ich ein wenig bedauert, weil um die Ludwigsaue massenhaft Bäume gestanden haben. Auch skurill zerbrochene, welche mit und welche ohne Laub, mit hängenden und mit aufrechten Ästen. Aber: Spezialisten werden schon etwas Besonderes aus den Bäumen gemacht haben.

Nach einem Film dachte ich, so, das war’s. Aus reinem Spieltrieb legte ich den zweiten Film ein. Bei Rollfilm hat man eigentlich keine Last einen Film voll zu kriegen, denn Zwölf Exemplare sind schnell vertan. Trotzdem, wenn das alles ein wenig bewusst und durchdacht werden soll, dann geht die Zeit doch sehr schnell dahin. So hat Reinhold Schmelz auch schon mehr oder weniger zum Rückzug geblasen, als ich noch richtig in Fahrt war. Aber auch den zweiten Film habe ich noch ohne Mühe belichtet. Als wir uns sammelten haben mich die Menschenkinder genauso animiert, wie die Nymphen – äähh, die Nebelschwaden – und so passiert es eben, dass man einfach auf den Auslöser drückt. Es ist ja auch ein schönes Geräusch, wenn ein Verschluß abläuft.

Es gab vielleicht kalte Füße und kalte Ohren, nasse Hosen und Matsch an den Schuhen (die Mehrheit trug Stiefel), aber es gab mit Sicherheit auch heiße Fotografengemüter. Mit Herz und Hand waren wir alle dabei. Das Wetter hat uns keinen Strich durch die Rechnung machen können.

Gegen 11.30 Uhr traten wir den Rückweg an. Wieder habe ich mich gefreut, dass meine „Last" nicht groß ist. Man lernt bei solchen „Safaris" nur dazu. Ich habe dabei gelernt, dass es Hüllen für Stative gibt und man dann das Stativ umhängen kann. Kleinigkeiten ! aber interessant.

Am Abstellplatz der Autos wurde die Crew von Frau Schmelz für das Internet verewigt. Am Tag darauf konnte ich es schon auf dem Bildschirm bewundern. Es waren Dreizehn Fotoclub-Mitglieder und Frau Schmelz. Reinhold hat uns vorgeschlagen, noch einen Abstecher zum Gustavsburger Hafen zu machen und das wollten wir auch alle. Jedoch: der Mensch denkt und Gott lenkt. Unterwegs haben wir den „Führer" verloren und keiner hat genau gewusst, wie der Hafen zu erreichen ist. Als wir endlich mit noch ganzen zwei Autos dort ankamen, war kein Chef mehr da. Es war auch schon nach Zwölf und der Italiener wartete ab zwölf Uhr mit der Pizza. So hat das eine Auto noch einmal den Weg zum Weinstand eingeschlagen und das andere den Heimweg nach Mainz.

Mainz, am 15.11.2001

Bericht: Norbert Wagner

Chronik